BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

2050 Science Framework

Deutschsprachige Zusammenfassung des „2050 Science Framework

Im Oktober 2020 wurde der „2050 Science Framework“ mit dem Titel „Exploring Earth by Scientific Ocean Drilling“ veröffentlicht, der die Basis für die zukünftige Ausrichtung des wissenschaftlichen Tiefseebohrens bildet. Das Dokument basiert auf Ideen und Beiträgen der internationalen geowissenschaftlichen Gemeinschaft, welche im Rahmen einer Vielzahl nationaler und internationaler Veranstaltungen zur Zukunft des Tiefseebohrens zusammengetragen wurden. Der interdisziplinäre „2050 Science Framework“ wurde von Forschenden aus 23 Nationen erstellt und setzt die wissenschaftlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer Ziele mithilfe von Ozeanbohrungen erreicht werden sollen, und definiert unterschiedliche Wege, über die neue Erkenntnisse gewonnen werden sollen. Dabei werden sowohl die Prozesse adressiert, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Komponenten des komplexen Erdsystems herstellen, als auch eine Reihe von natürlichen oder vom Menschen verursachten Umweltveränderungen. Generell liegt der Fokus des Science Frameworks stärker auf gesellschaftlich relevanten Fragestellungen als in den vorangegangenen Wissenschaftsplänen.

Die Umsetzung des „2050 Science Framework“ erfordert einen internationalen Ansatz und eine Reihe von Leitprinzipien. Diese Leitprinzipien („Enduring principles“) leiten sich aus den aktuellen Stärken des wissenschaftlichen Bohrprogramms ab und umfassen u.a. den freien Zugang zu Proben und Daten, standardisierte Analysen, „bottom-up“ Bohrvorschläge und Peer-review, regelmäßige Bewertung des Framework sowie Förderung der Vielfalt. Das „2050 Science Framework“ fasst die neuen wissenschaftlichen Ziele in sieben Strategischen Zielen („Strategic Objectives“), fünf Flaggschiff-Initiativen („Flagship Initiatives“) und vier Ermöglichenden Elementen („Enabling Elements“) zusammen.

2050 Science Framework StructureQuelle: IODP

Strategische Ziele („Strategic Objectives“)

Die Strategischen Ziele sind übergeordnete Fragestellungen für die verschiedenen Forschungsgebiete in den marinen Geowissenschaften, die bis 2050 die Basis für das wissenschaftliche Tiefseebohren bilden sollen. Der Fokus dieser Ziele liegt auf dem Verständnis von Kopplungen innerhalb des Erdsystems.

  • Habitability and Life on Earth
    Hier werden Lebensbedingungen und die Rolle des biologischen Lebens im marinen Bereich beleuchtet. Es soll erforscht werden, welche Bedingungen für die Bewohnbarkeit des Planeten wichtig sind, und wo und wie Leben auf der Erde entstanden ist und sich weiterentwickelt hat. Neue, vertiefende Erkenntnisse über das komplexe Zusammenspiel zwischen der Biosphäre unter dem Meeresboden, der Erdkruste und der Atmosphäre sind daher erforderlich.

  • The Oceanic Life Cycle of Tectonic Plates
    Die Erforschung der Entstehung, Alterung, Bewegung und Destruktion ozeanischer Kruste verschiedenen geologischen Alters auf der ganzen Welt soll neue Erkenntnisse über Prozesse liefern, die maßgeblichen Einfluss auf das Auftreten von Erdbeben und Tsunamis, sowie vulkanische Aktivitäten und auf die globalen Energie- und Stoffumsätze haben, die gleichzeitig auch als wirtschaftliche Ressource dienen können.

  • Earth´s Climate System
    Genauere Informationen über die Entwicklung von Eisschilden, Änderungen des Meeresspiegels und die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre sind unumgänglich für ein tieferes Verständnis von globalen klimatischen Veränderungen. Die Voraussetzung hierfür ist die Dokumentation von Einsetzen, Zusammenwirken und Systemfestigkeit von potentiell empfindlichen Klimakomponenten wie Ozeanzirkulation, Meereis, kontinentale Eisschilde, sowie Niederschlag und Trockenheit.



  • Feedbacks in the Earth System
    Es sollen Prozesse untersucht werden, die das Erdsystem regulieren oder destabilisieren. Die Erforschung von Rückkopplungen im Erdsystem, die zur wiederholten Neukonfiguration von Kontinenten, zum Wechsel des Klimas zwischen Warm- und Kaltzeiten und zur Evolution sehr unterschiedlicher Pflanzen und Tiere während der Erdgeschichte geführt haben, bietet Einblicke in die Prozesse und Reaktionen unseres Planeten im Laufe der Zeit.

  • Tipping Points in Earth´s History
    Die Identifikation kritischer Schwellenwerte für Umweltveränderungen in der Erdgeschichte, die zu schnellen Übergängen in viel wärmere oder kältere Zustände führten, liefert Informationen, die dabei helfen, das Tempo und die Folgen des heutigen Klimawandels zu bewerten.

  • Global Cycles of Energy and Matter
    Die Untersuchung von Energie-, chemischen Stoff- und Nährstoffumsätzen, sowie der Zirkulation von Fluiden zwischen Sedimenten und Gesteinen, dem Ozean, der Atmosphäre und der Biota, führt zu einem besseren Verständnis, wie globale Kreisläufe das Klima und die langfristige Evolution des Lebens beeinflussen, und wie natürliche Ressourcen entstehen.

  • Natural Hazards Impacting Society
    Die Analyse von Sedimentabfolgen vergangener geologischer Großereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis, sowie der Installation von Observatorien unter dem Meeresboden, die die Bedingungen vor, während und nach modernen Ereignissen aufzeichnen sollen, ermöglichen es, die Mechanismen, die das Wiederauftreten und den Zeitpunkt solcher Ereignisse steuern, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie in Zukunft auftreten werden, genauer zu charakterisieren.


Flaggschiff-Initiativen („Flagship Initiatives“)

Die Flaggschiff-Initiativen fassen langfristige multidisziplinäre Forschungsvorhaben zusammen, die gemeinsam zum Ziel haben, wissenschaftliche Hypothesen zu bearbeiten, die von besonderer gesellschaftlicher Relevanz sind. Diese Initiativen umfassen daher mehrere Strategische Ziele. Die Flaggschiff-Initiativen werden von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Anträgen zusammengefasst, die eine koordinierte langfristige Planung, technische Weiterentwicklungen, und innovative Anwendungsmöglichkeiten von existierenden und zukünftigen Daten aus dem wissenschaftlichen Tiefseebohren beinhalten. Folgende fünf Flaggschiff-Initiativen sind im „2050 Science Framework“ definiert:

  • Ground Truthing Future Climate Change
    Wissenschaftliches Tiefseebohren soll grundlegende Informationen über die Reaktionen der Ozeane auf natürliche Klimaänderungen liefern, um Klimamodelle und Meeresspiegelrekonstruktionen zu verbessern. Indem eine solide und breite Datenbasis über längere geologische Zeitintervalle auf unterschiedliche Zeitskalen geschaffen wird, kann u.a. der Beitrag des Menschen zu den aktuellen Klimaänderungen besser quantifiziert werden.

  • Probing the Deep Earth
    Bohrungen tief in die ozeanische Kruste sollen zu einem besseren Verständnis über das Erdinnere und dessen geodynamische Bedeutung, sowie den Zusammenhang mit geologischen, biogeochemischen und klimatischen Kreisläufen, einschließlich der Grundbedingungen für die Existenz von Leben im Untergrund beitragen. Hierzu soll die Zusammensetzung und Struktur des Grenzbereichs zwischen ozeanischer Kruste und Mantel sowie die Raten und die Signifikanz von Fluidaustausch im Meeresboden zwischen Sedimenten, ozeanischer Kruste und oberen Mantel untersucht werden. Außerdem steht die Rolle von Subduktionszonen im Hinblick auf die stoffliche Zusammensetzung des oberen Mantels und der ozeanischen Kruste im Verlauf der Erdgeschichte im Fokus.

  • Assessing Earthquake and Tsunami Hazards
    Langfristige physikalische und chemische Messungen mittels verschiedener Beobachtungsinstrumente sowie die Untersuchung von Sedimentkernen in tektonisch aktiven Regionen sollen zuverlässigere Vorhersagen von Erdbeben und Tsunamis ermöglichen und dazu beitragen die Entstehung Erdbeben hoher Magnitude besser zu verstehen. Diese Informationen ermöglichen es, sich auf solche Ereignisse besser vorbereiten und schneller reagieren zu können.

  • Diagnosing Ocean Health
    Ähnlich zu den aktuellen marinen Umweltveränderungen wie Erwärmung, Versauerung, Eutrophierung oder Sauerstoffmangel, welche die Ökosysteme beeinflussen und Konsequenzen für die Nutzung der Ozeane durch den Menschen haben, gab es auch in der geologischen Vergangenheit Perioden rascher Umweltveränderungen sowie Meteoriteneinschläge und Episoden von übermäßigem Vulkanismus. Marine Sedimentabfolgen liefern wesentliche Informationen über die Reaktion der Ozeane und der Lebewelt auf natürliche Umweltveränderungen und Naturkatastrophen. Dadurch können belastbare Schlüsse gezogen werden, welches Ausmaß zukünftige Veränderungen haben werden und welche Rolle zeitliche Faktoren spielen. Wissenschaftliche Ozeanbohrungen bieten somit eine Diagnose des Zustands der Ozeane im Laufe der geologischen Zeit.

  • Exploring Life and Its Origins
    Marine Sedimente und die ozeanische Kruste beherbergen ein komplexes, aktives, weltumspannendes Ökosystem, in dem Mikroorganismen leben und interagieren. Die Mikrobiologie weiß wenig über die Merkmale und Strategien, die es den Organismen in der Tiefe ermöglichen, in geologischen Lebensräumen zu überdauern, welche Gemeinschaften sich unter diesen extrem energie-limitierten Bedingungen bilden und welche geochemischen und biochemischen Prozesse hierzu notwendig sind. Die Grenzbedingungen mikrobieller Aktivität, bisher unbekannte Mikroben-Arten und deren biotechnologische Nutzbarkeit, sowie die Entstehung des Lebens auf einer primitiven Erde und die Möglichkeit von Leben auf anderen Planeten sollen untersucht werden.


Ermöglichende Elemente (Enabling Elements)

Die Ziele und deren Umsetzung beim wissenschaftlichen Tiefseebohren sollen durch folgende Ermöglichende Elemente unterstützt werden:

  • Broader Impacts and Outreach
    In den letzten 50 Jahren hat die internationale Zusammenarbeit in den wissenschaftlichen Bohrprogrammen zu dauerhaften interdisziplinären Partnerschaften in Wissenschaft und Technik geführt. Um dies auch in Zukunft zu gewährleisten sollen Nachwuchsforschende und Studierende auf allen Ebenen umfänglich unterstützt werden. Wissenschaftliche und technische Fähigkeiten werden durch entsprechende Trainings und Kurse erweitert. Zudem ist auch die öffentliche Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse für die Entwicklung einer wissenschaftlich informierten Öffentlichkeit von großer Bedeutung. Eine breite Außenwirkung und Öffentlichkeitsarbeit soll Pädagogen unterstützen und die Öffentlichkeit informieren.

  • Land to Sea
    Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen Bohrprogrammen im Ozean und an Land wird helfen, die Ursachen von Erdbeben, Tsunamis und explosivem Vulkanismus besser zu verstehen. Eine Kombination von Land- und Meeresbohrungen soll auch die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Plattentektonik, dem Klimasystem der Erde, Ökosystemen, Leben und Bewohnbarkeit, Meeresspiegelveränderungen und dem küstennahen Süßwasserfluss unter der Meeresoberfläche verbessern.

  • Terrestrial to Extraterrestrial
    Raumfahrtagenturen haben das Ziel, unser Wissen über die Erde und andere Welten in unserem Sonnensystem zu erweitern. Durch die Weltraumforschung werden nicht nur grundlegende physikalische Gesetze formuliert, sondern sollen auch die Rahmenbedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Planeten entschlüsselt und der Ursprung des Universums und des Lebens enträtselt werden. Wissenschaftliche Bohrungen fördern die Ziele der Erforschung von Voraussetzungen für die Bewohnbarkeit von Planeten und der Grenzen des Lebens. Die Zusammenarbeit zwischen Raumfahrtbehörden und wissenschaftlichen Ozeanbohrprogrammen wird den Bemühungen um ein besseres Verständnis der planetarischen Evolution, der Bewertung des Potenzials für Leben anderswo im Universum und der Bewertung der Risiken durch extraterrestrische Einschläge zu Gute kommen. Die Ozeanbecken der Erde stellen ein natürliches Labor für die Erprobung von Robotertechnologien für die Fern- und Weltraumerkundung dar.

  • Technology Development and Big Data Analytics
    Wissenschaftlicher Fortschritt erfordert kontinuierliche technische Weiterentwicklungen, z.B. Instrumente zur Gewinnung und Analyse von Probenmaterial oder Werkzeuge zur Datenanalyse. Innovationen bei Analysewerkzeugen und Bohrtechniken maximieren das wissenschaftliche Potenzial bestehender und zukünftiger Sediment- und Gesteinsproben.

Link zum Download:
https://www.iodp.org/2050-science-framework

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